Ich schaue mir die immerwährende TODO-Liste an: OK, Nerven behalten… Jetzt dringlich und wichtig sortieren und dann erstmal nur das tun, was dringlich und wichtig ist… Immerhin hast du die Zeit, eine Liste zu führen… 😉 Wenn du dort auftauchst, dann strahlend, als könnte dich das Chaos niemals umhauen – sprühend vor Zuversicht und Scherzen… Alles in bester Ordnung!
Wieder eine halbe Kuhherde vom Eis geholt. Die Mitarbeiter lachen und scherzen nach der zweieinhalbstündigen Besprechung: ‚So sind wir! Wir können das alles! Im Handumdrehen!‘
Ich verrate nicht, dass wir grad‘ erst angefangen haben, einen ganzen Elefanten zu zerlegen, um ihn scheibchenweise zu verspeisen – es wird ein langer Weg… Nach dem Vormittag – der Rest Bürozeit – bin ich geschafft. Gut, dass ich eine Stunde im Frieden schlafen kann…
Am Nachmittag stehe ich auf dem Balanceboard beim freundlichen Psychotypen – das Gadget hab‘ ich mir selbst ausgesucht – drückt es im Moment Einiges aus: Alles eine Frage der inneren Haltung. Wackelt manchmal, aber hält. Sogar mit geschlossenen Augen. Müssen wohl die Engel sein… 😉
Der Rest ist Schweigen. Und viel Schreibtisch… eben der ganz normale Alltagswahnsinn. Leicht und schwer zugleich.
…der Gottesdienst gestern leicht und fröhlich und wunderbar. Die Kirche ganz voll – im Altarraum sogar, wo der Chor sitzt und engelhaft singt.
Ich erzähle davon, dass Träume etwas richtig Gutes sind, denn sie bringen Bewegung, ja Leben ins Leben – ein göttlicher Funke. Manchmal gehen sie in Erfüllung – schön. Manchmal nicht. Auch das gut, denn ER hat für uns noch viel Besseres, Größeres, Wunderbareres erträumt – fest geplant.
Der Chor singt (hier ein anderer):
und wir spüren sie, die Engelsflügel, auf denen ER uns trägt.
Bei den Abkündigungen – etliche Patzer meinerseits schleichen sich ein – viele ausgelassene Lacher und beim Segen nehmen wir uns alle an den Händen. Seine Gegenwart ist spürbar. Besser geht’s nicht, denk‘ ich mir, als beim Schlußlied plötzlich einer aus dem Chor mit Trompete aufsteht, um das ‚Großer Gott, wir loben dich‘ noch glänzender zu machen. Irre!
Danach Konfielternabend. Und Besprechung mit Presbytern. Und Gott sei Dank hat der freundliche Küster Schokokekse für mich – denn so haben wir mit dem Organisten zusammen formuliert: ‚leicht ist schwer‘. Ich merke den Weg, den ich brauchte, um bis zu diesem Gottesdienst, bis zu diesem Vertrauen zu kommen, das Ringen um die Worte steckt mir in den Knochen… – schön, dass es Menschen gibt, die auch das sehen.
Am Nachmittag reicht weder Zeit noch Kraft mehr für ein Treffen, das ich gern wahrgenommen hätte – auch Pfarrersalltag. Stattdessen Schlafen und sich den Elementen hingeben, Schweigen. Muss.
Heute dies, aus der Losung:
„Herr, was sind wir, dass du Engel uns zu unsern Wächtern gibst? Menschen sind wir voller Mängel, Menschen, die du dennoch liebst. Engel, die dich allzeit sehn, sollen uns zu Dienste stehn. Engel hüten uns als Kinder, heilge Engel schützen Sünder.“ (Philipp Friedrich Hiller)
– gute dunkle Schokolade zum Espresso, wie ich finde.
Im Kindergarten werde ich schon erwartet – ja, kaum zu glauben, wie schnell das geht, dass die Kleinen mit einem rechnen… Schön ist das, und stimmt mich auch ein wenig nachdenklich, denn das Projekt ‚Erntedank‘ geht heute zu Ende – wir zeigen die wunderbaren Bilder, singen die Lieder für den Gottesdienst, besprechen noch einmal alles mit den Kindern im großen Kreis… ‚Im Gottesdienst werde ich anders aussehen‘ – ‚Ja, du trägst den schwarzen Mantel‘ – erwidern sie, und damit alle meinen Talar sehen, lasse ich mich von den Kindern umziehen. ‚Musst du dann alle Knöpfe alleine knöpfen?‘ – ‚Ja, aber das krieg‘ ich schon hin… Wisst ihr noch, mit dem Segen?‘ Sie erzählen davon. Dass man das spüren kann. Dass Gott da ist und aufpasst. Es wird ganz andächtig still in der Runde, während ich den Segen spreche…
Nachdem ich mich umgezogen habe, kommt ein kleines Mädchen auf mich zu, umarmt mich: ‚Das war schön.‘ Ein anderes reitet auf einem Zauberdrachen herbei, lächelt. ‚Kann er Feuer spucken?‘ Sie nickt. Nun werde ich von einem Drachen verfolgt, der mir – nun ja – Feuer unterm Hintern macht, während ich mit der Kitaleitung Kaffee koche und Organisatorisches abspreche. Während der Besprechung sitzt das Drachenmädchen neben mir, strahlt mich an, und lässt sich von mir Brote schmieren – zum Abschied singt sie mir ein Lied aus ‚Eisprinzessin‘ vor.
Trekkingtalare müsste man erfinden, denn die Bestattungskultur ändert sich zunehmend. Friedwald ist in. So steht heute mal wieder ein längerer Waldspaziergang an – und im Gegensatz zum freundlichen Förster bin ich nicht unbedingt praktisch angezogen… Ein Espresso danach tut gut.
Sonntag Exaudi. Eine Zwischenzeit. Himmelfahrt war – Pfingsten ist noch nicht.
Ich erwische mich immer wieder dabei, als stünde ich, wie jene Jünger da, Blick in den Himmel – was nun? Dabei müsste ich es wissen: alles ist gut. Gott ist mit uns. Sein Geist unter uns, seine Kraft und Stärke verlässt uns nicht. Und doch ist da diese Sehnsucht – vielleicht wie beim Thomas – könnte ich IHN nur begreifen, sehen…
Die Worte fehlen – oft auch im Gebet. Ich schweige. Ich greife auf Lieder zurück; das Singen gestern hat gut getan.
Es gibt ja diese Zeiten. Die, wo es gut ist, dass ER gegenwärtig ist, wo wir uns in seinem Namen versammeln. Da wird ER wieder spürbar. Da geschieht Gegenwart.
Der Predigttext für diesen Sonntag antwortet mir:
„Desgleichen hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt; sondern der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen.Der aber die Herzen erforscht, der weiß, worauf der Sinn des Geistes gerichtet ist; denn er vertritt die Heiligen, wie es Gott gefällt.Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind. Denn die er ausersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dass sie gleich sein sollten dem Bild seines Sohnes, damit dieser der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen; die er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht.“ (Römer 8,26-30)
Die Liebe zu Gott und die Liebe zum Schweigen hängen für die Mönche von jeher zusammen. Der vordergründige Aspekt des Schweigens ist der des Loslassens. Wer schweigt, verzichtet darauf, zu reden oder sich zu äußern. Dieser Verzicht setzt sich fort im bewußten Abstand seinen Gedanken, Gefühlen und Stimmungen gegenüber. Solches Schweigen kommt letztlich einem Verlassen der Welt gleich. In ihm geht der Mensch den Weg von außen nach innen, er wechselt gleichsam den Standort seines Lebens. Das äußere Schweigen ist dazu da, dem inneren Schweigen Raum zu geben; es rührt gewissermaßen an jene Stelle, wo das Schweigen in unserem Innern wohnt. Hier schlägt die eher negative in eine endgültig positive Sicht des Schweigens um: „Das Schweigen besteht nicht nur darin, dass der Mensch aufhört zu reden. Das Schweigen ist mehr als bloß ein Zustand, in den der Mensch sich versetzen kann, wenn es ihm passt. Wo das Wort aufhört, fängt zwar das Schweigen an. Aber es fängt nicht an, weil das Wort aufhört. Es wird nur dann deutlich. Das Schweigen ist ein Phänomen für sich. Es ist also nicht identisch mit der Aufhebung des Wortes, es ist nichts Reduziertes, es ist etwas Ganzes, etwas, das durch sich selbst besteht, es ist zeugend wie das Wort, und es formt den Menschen wie das Wort, nur nicht im gleichen Maße. Das Schweigen gehört zur Grundstruktur des Menschen.“ (M.Picard) Der Mönch geht ins Schweigen und lebt im Schweigen, weil er die Verbundenheit mit Gott und der Welt sucht. Das Schweigen, das nicht Verweigerung ist, besagt eine sehr radikale Weise von Liebe. Es ist völlig selbstlos, kennt keinen Nutzen und keinen Zweck. Das Schweigen ist für den Mönch die wahre und eigentliche Sprache der Liebe. Schweigend schaut er Gott und die Welt mit einem umfassenden Blick der Liebe an, schweigend hält er sich ihnen ganz hin, schweigend ist er ganz für sie da. In ihm gehen Liebe und Schweigen ineinander über: Liebendes Schweigen und schweigende Liebe berühren einander. Im Schweigen erfährt der Mönch die Gegenwart der Liebe Gottes. Je mehr er ein Schweigender wird, desto mehr wird er auch ein Liebender, in dem Gott die Welt liebt, und durch den die Welt Gott liebt. Von solchem Schweigen geht etwas Heilendes und Verbindendes aus; in ihm bricht ein Stück Ewigkeit in diese Zeit ein. Das Echo schweigender Liebe, die den Mönch bei allen sein lässt, lässt sich nicht messen, aber es ist da. In dem Maß, in dem er selber ein Stück echten Schweigens wird, trägt er, Schweigen lebend, dieses Echo in die Welt hinein.
Christian Schütz, In:Buch der Ruhe und der Stille, Inspiration aus dem Geist der Klöster, Freiburg 2003
Vielleicht auch ganz gut so, denn ich habe ihn nicht vermisst.
Dafür habe ich die Musik mitgenommen – denn das Singen ging weiter, ja, am Nachmittag, beim Gottesdienst meiner Community, wo ich doch tatsächlich immer noch etliche Lieder mit allen Strophen ausinwendig singen kann. Das tut vielleicht gut!
Etwas, wofür ich ewig dankbar bin, denn, mir scheint es doch so, dass ich das wohl nie mehr verlernen werde – und ich habe schon viel vergessen in meinem Leben… Aber diese Hoffnungs- und Freudenworte sind wohl auf eine besonders geschützte Speicherplatte geschrieben. Ins Herz vielleicht?
😉
Schöne Begegnungen und wichtige Gespräche… Und noch wichtiger: der Ertrag des gemeinsamen Schweigens, des Unausgesprochenen – hier ein Händedruck, da ein Lächeln; nach so vielen Jahren sehen und verstehen wir uns auch ohne Worte… Wir merken: wir sind nicht alleine. Wir haben uns im Blick, im Herzen, im Sinn und in unseren Gebeten…